Gegenargumente

Wenn Volksabstimmungen durchgeführt werden, besteht die Gefahr von Populismus.

Das Argument scheint nur auf den ersten Blick berechtigt zu sein. Auch einzelne Volksvertreter können von populistischen Meinungen beeinflusst werden. Die Gefahr von Populismus ist nicht geringer, wenn bloß wenige Menschen regieren.

Wenn hingegen viele unterschiedliche Personen entscheiden dürfen, kann ein Ausgleich zwischen extremen Positionen stattfinden. Die Politik der direkten Demokratie wäre eher gemäßigt.

Eine direkte Demokratie ist technisch nicht umsetzbar.

Wenn es alltäglich ist, dass übers Internet Verträge abgeschlossen und hohen Geldbeträge überwiesen werden, ist es in technischer Hinsicht auch möglich, Volksbefragungen oder -abstimmungen durchzuführen. In Prinzip ist eine Wahl ja nichts anderes als eine Willensbekundung. Und die kann man auch elektronisch übermitteln.

Man würde ältere Personen nicht erreichen? - Im Gegenteil. Wahlautomaten in der Größe von Tablet-PCs wären vielleicht gerade für ältere und pflegebedürftige Personen eine komfortable Lösung.

Eine direkte Demokratie würde eine "Diktatur der Mehrheit" bedeuten.

Dieses Argument wurde in der Vergangenheit auch gegen die Demokratie im Allgemeinen angeführt. Es hat sich offenbar nicht bewahrheitet.

Eine Demokratie muss sensibler für die Bedürfnisse von Individuen sein, weil die Stimme eines Einzelnen bei einer Abstimung das Zünglein an der Waage sein kann.

In einer direkten Demkratie wäre die Todesstrafe nicht abgeschafft worden.

Es gibt viele Beispiele dafür, dass einzelne Politiker mehr Menschlichkeit und Vernunft zeigen, als die Mehrheit. Daraus kann aber nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass Politiker dies immer tun. Es gibt schließlich auch das umgekehrte Extrem.

Das Beispiel der Todesstrafe bedeutet eine scharfe Kritik, weil sich heute niemand von uns die Einführung der Todesstrafe wünscht und sogar für ein Verbrechen hält. Dadurch hat sich das Argument aber selbst entkräftet. Heute würde es in Mitteleuropa (und den meisten anderen Teilen der Welt) keine Mehrheit dafür geben!

Es wäre zu umständlich, ständig über politische Fragen abzustimmen.

Eine direkte Demokratie bedeutet nicht, dass es bei allen Fragen zu Volksabstimmungen kommen muss. Lediglich das Recht dazu besteht. Schließlich möchten Sie Ihrem Zahnarzt ja auch nicht im Einzelnen vorschreiben, wie er die Behandlungen durchführt. Es wäre natürlich nett, wenn der Zahnarzt Sie fragt, ob er Sie behandeln darf.

Durch Volksabstimmungen könnte das Volk ein Vetorecht erhalten, um unerwünschte Entwicklungen zu korrigieren. Je besser sich die Politik für die Belange der Bevölkerung einsetzt, umso seltener müsste von diesem Vetorecht Gebrauch gemacht werden.

Die Bevölkerung würde keine unangenehmen Entscheidungen treffen können.

Ob die Bevölkerung unangehmen Entscheidungen zustimmen würde, scheint auch eine Sache der Weitsicht jedes Einzelnen zu sein. Diese Weitsicht von vornherein abzusprechen, bedeutet eine Diskreditierung von Bürgern und Bürgerinnen. Die Geschichte der Schweiz zeigt z.B. dass sog. "Schuldenbremsen" auf Initiative der Bevölkerung ins Leben gerufen wurden. Die Behauptung kann daher nicht verallgemeinert werden.

Eine direkte Demokratie würde die Parlamente entmachten.

Volksabstimmungen sind lediglich eine Ergänzung der parlamentarischen Arbeit. Auch in einem Land wie der Schweiz existieren selbstverständlich Parlamente. Es besteht kein Zwang, ständig Volksabstimmungen durchzuführen. Allein das Recht dazu besteht. Politische Strategien, die sich offensichtlich gegen Bürgerinteressen wenden, wie z.B. ein TTIP-Abkommen, können nicht erfolgreich sein.

Durch Volksabstimmungen bekommen Politiker ein Feedback darüber, wie ihre Arbeit in der Bevölkerung gesehen wird. Dadurch könnte die parlamentarische Arbeit eine große Kontinuität entfalten, die sich über Jahrzehnte erstreckt.

Eine direkte Demokratie ist in einer Krisensituation ineffektiv.

Immer wieder wird der Demokratie der Vorwurf der Ineffizienz gemacht - vor allem in Krisensituationen.

Dieser Vorwurf berücksichtigt nicht die Vorteile der Demokratie - Der freie Gedankenaustausch von unterschiedlichen Experten. Gerade in einer hochkomplexen und technisierten Welt ist dieser Gedankenaustausch von großer Wichtigkeit.